Reinhard von Brunn, Vorsitzender der Tübinger Liste, hat sich am 15. Februar vor Ort kundig gemacht: “Kinder flitzten durch die Gänge, einige a l t e Männer gucken fern, einige Frauen sind am Kochen. Am Wochenende gab es wohl schon einen medizinischen Notfall (Kind mit heftiger Virus-Erkrankung), der in einer Tübinger Allgemein-Praxis recht ruppig abgehandelt wurde. Der sehr freundliche Security-Mann (Libanese, der seit 20 Jahren auf WHO wohnt und im Moment der “Mann für alles” ist), war richtig empört. Im Moment sind vor allem Afghanen und Syrer untergebracht. In dieser Woche sollen wohl weitere ca. 80 Syrer hinzu kommen – dann ist die Halle voll.”
Erste Überraschung beim Betreten des früheren Eiskellers: In der Shedhalle ist es mollig warm! Auch sonst verblüfft, was der vorübergehende Hausherr Landratsamt und die Handwerker aus dem Aschenputtel gemacht haben: Verputz und Anstrich in fröhlichem Orange, Sprech- und Behandlungszimmer für Ärzte, kleine Wickelecke für Babys. Über einen überdachten Gang sind die außen angestellten Küchen-, Waschmaschinen- und Sanitär-Container trockenen Fußes erreichbar. Das Innenleben der für 188 Flüchtlinge ausgelegten Halle wird von den 16 mit Stoffbahnen getrennten Carrés bestimmt, in denen jeweils 12 Flüchtlinge leben werden. In zwei Abteilen für je sechs Personen stehen jeweils drei Stockbetten, ein Tisch mit sechs Stühlen und ein Kühlschrank. In Metallspinden können einige persönliche Habseligkeiten verstaut werden. Alles neu und funktional.
So weit, so gut. Aber eine Halle bleibt eben eine Halle. Bei 4,5 qm/Person (Preisfrage: wieviel Auslauf steht einem deutschen Schäferhund nach Tierschutzgesetz zu?) ist drangvolle Enge vorprogrammiert. Der Lärmteppich von Heizungsgebläse, drei Fernsehern und Dutzenden Menschen wird sich über die ganze Halle legen. Da alle Schlaf- und Aufenthalts-Boxen nach oben zur Hallendecke hin offen sind, wird die Beleuchtung von 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr runtergedimmt. Eins ist sicher: Privatsphäre gleich null. Auch die mit Biertisch-Garnituren bestückten Aufenthaltsbereiche zum Essen, Spielen, Hausaufgaben machen, Nähen usw. sind für so viele Menschen sehr bescheiden bemessen. Kleinere Räume für Krabbel-Gruppen, Sprachcafé oder Beratungsgespräche fehlen vollständig.
Da ist es ein grosser Lichtblick, dass die Lustnauer Kirchengemeinden und die Methodistische Kirche ihre Räume öffnen wollen. Überhaupt ist es grossartig, wie sich auch für diese neuen Flüchtlinge seit Wochen und schon im Vorfeld ihrer Ankunft ein schlagkräftiger Helferkreis organisiert. Nachbarinnen und Nachbarn, eine ganze Gruppe junger Leute aus dem Leibnizkolleg, Kindergartenmütter, Rentner – schon über 50 Freiwillige bereiten sich gezielt auf ein freundliches und hilfreiches Willkommen für die neuen Quartiersbewohner vor (nähere Informationen: Monika Dirk, mdirk@ak-shedhalle.de). Hauptamtlich werden sie von einer Sozialarbeiterin des Landratsamts und einem Hausmeister betreut; zwei Mann Wachpersonal sorgen für Sicherheit in und rund um die Shedhalle.
Offener Brief von Ulrich Dewald aus Gomadingen im Schwäbischen Tagblatt vom 16. Februar 2016
Sehr geehrter Herr Palmer,
ich mach’s kurz: Grüne Professoren im idyllischen Tübingen sorgen sich um ihre blonden Töchter, und der grüne Bürgermeister hat leider kein Geld, um einen Wachmann einzustellen, der auf die bösen Araber aufpasst. Wenn es Ihr Ziel war, Vorurteile zu schüren, ist Ihnen das gelungen.
Es gibt tatsächliche Probleme und begründete Ängste, und es gibt irrationale Ängste und Scheinprobleme. Als OB sollte man in der Lage sein, das eine vom anderen zu unterscheiden, und zweitens fähig, diesen Unterschied den Leuten zu erklären.
Ich lade Sie herzlich zu uns nach Gomadingen ein: Da leben 115 Syrer, Afghanen, Iraker und Pakistani in einem Dorf mit 1100 Einwohnern. Klar, es sind viele Kinder dabei und wir haben im ehemaligen Feriendorf guten Wohnraum. Es funktioniert aber nicht zuletzt deshalb, weil unser Dorfschultes sich nicht vorn hinstellt und am lautesten von allen heult, warum was wann nicht geht. Sondern weil er es schafft, Offizielle und Ehrenamtliche und einen beträchtlichen Teil der Bevölkerung dazu zu bringen, an einem Strang zu ziehen.
Viele Grüße von der Alb ra