Gegen amtliche Besserwisserei ist kein Kraut gewachsen… Macht es überhaupt Sinn im Gemeinderat mitzuarbeiten?

Anschluss und Abnahmezwang bei Fernwärmenetzen heißt, dass jeder Angeschlossene so behandelt wird, als decke er sämtlichen Wärmebedarf aus der Fernwärme. Der nach diesem theoretischen Gesamtbedarf berechnete Grundpreis ist also künstlich “überdimensioniert”. In der Gesamtpreisbildung ist der Grundpreis zudem relativ hoch verglichen zum Preis für die variablen Mengenabnahme. Das Ergebnis ist: Es ist für den Hausbesitzer dann meist unwirtschaftlich, auf dem Dach Solarthermie zu installieren und/oder den Photovoltaikstrom dazu zu benutzen, den Pufferspeicher im Haus zu erhitzen. Kann er den Strom nicht dafür verwenden, muss er ihn wegen geringen eigenen Stromverbrauchs bei privaten Häusern in der Regel zu 70-80% der produzierten Strommenge für quasi lau ins Netz speisen. Das ist wirtschaftlich nicht sinnvoll und ökologisch schon erst recht nicht.

Es wird daher nach Ansicht der führenden bundesdeutschen Experten (wie etwa des Fraunhofer Instituts in Freiburg) in der Zukunft der sinnvollste, wirtschaftlichste und vor allem der ökologisch optimale Weg sein, Wärmenetze relativ zu heute viel kleiner und saisonal auszulegen und zu betreiben, so dass sie nur noch diese fehlenden Zusatzmengen liefern, wenn die Sonne (im Winter) nicht genug Wärme oder Strom für Wärme direkt an den Häusern produziert. Fernwärme wird eine deutlich andere Rolle bekommen und gerade bei neuen Netzen sollte man das jetzt bereits mitdenken.
Die Antwort der Stadt auf unseren Antrag (https://www.tuebingen.de/gemeinderat/vo0050.php…), solche Ausnahmen von Abnahmezwang zuzulassen (NICHT vom Anschlusszwang), damit sich Solarthermie- und PV-Anlagen auf den Dächern bei den Bürgern lohnen UND so die ökologischste Lösung am Ende die Wärme für die Häuser liefert, diese Argumente wurden in der städtischen Antwort völlig abgebürstet. Die Kollegen der AL Grünen-Fraktion hatten die Vorlage noch nicht einmal oberflächlich gelesen, sondern erzählten auch etwas von unserer angeblichen Verweigerung des Anschlusszwanges. Dabei hatten wir im Antrag selbst jeweils den ersten Teil des Worte Abnahmezwang unterstrichen und mehrmals betont, dass wir den Anschlusszwang für notwendig halten! So etwas ist bösartig oder in dieser fahrlässigen Verballhornung herablassend. Es interessiert gar nicht was wirklich geschrieben wird. Man macht einfach routinemäßig die anderen zu Buhmännern (und Frauen).
Mit solchen KollegInnen im Gemeinderat und mit solch einer Verwaltung macht die sachlich und fachlich kompetente Diskussion über Klimamaßnahmen keinen Sinn, für die wir Wochen und Monate  intensivster Arbeit und Vertiefung in dieses komplizierte Thema aufgewandt, dafür Seminare besucht, uns mit Experten besprochen und Stück für Stück durchgearbeitet hatten. Gegenüber so haltlosen Unterstellungen und einem solchen Maß notorischer Besserwisserei ist jeder Versuch zwecklos, mit der Verwaltung eine Diskussion auf fachlicher Ebene zu führen, damit wir gemeinsam den effizientesten Weg finden, das Klima wirklich zu retten, nicht nur tolle Dinge zu versprechen.  “Wir haben Recht, Ihr seid doofes Gemeinderat und solltet gefälligst allem zustimmen, was uns in höherer Weisheit eingefallen ist!” Diese Haltung schlägt uns stattdessen leider entgegen und führt zu hoher Frustration, die wir in diesem Beitrag auch nicht verstecken wollen.
Es freute uns sehr, dass Herr Dr. Stegert am Montag in der Sitzung des Klimaschutzausschusses sehr gut bemerkte, welches Spiel da gespielt gespielt wurde. Das folgende lange Zitat aus seinem heutigen Beitrag bringt etwas von dem Unverständnis und Befremden herüber, das auch Ernst Gumrich an diesem Punkt der Diskussion zum wütenden Verlassen des Ratssaals veranlasst hatte (neben der unsäglichen Technik, die im neuen Ratssaal nicht vorgestern erstmals, sondern seit inzwischen 6 Jahren nicht zuverlässig funktioniert).

Zitat Tagblatt v. 21.10.:

“Alle Neubaugebiete in den Teilorten sollen mit Fernwärme versorgt werden. Alle Haushalte sollen zum Anschluss und zur Benutzung verpflichtet sein. Ein gemeinsamer Antrag von Tübinger Liste, CDU und FDP möchte Ausnahmen zulassen. Das verstand Palmer offenbar als Aufweichung, auch nach der Begründung von Peter Bosch (Tübinger Liste). „Alle ans Netz – das ist die wirtschaftlichste Form für alle.“ Und Christoph Joachim (AL/Grüne) pflichtete bei: Der Anschlusszwang „ist in der Stadt ein altbewährtes Instrument.“

Doch der interfraktionelle Antrag wollte den Klimaschutz nicht schwächen, worauf Ernst Gumrich (Tübinger Liste) empört hinwies. Im Gegenteil. Es gehe darum, auch andere ökologisch sinnvolle Techniken wie Solarthermie zu ermöglichen. Das stellte Dietmar Schöning (FDP) klar. Im Antrag der drei Fraktionen heißt es eindeutig: „Mit Blick auf die wirtschaftlich kritische Masse der Teilnahme für solche Fern- und Nahwärmekonzepte ist ein genereller Anschlusszwang nötig. Ein rigider und absoluter Abnahmezwang könnte jedoch für das Ziel einer klimaneutralen Zukunft kontraproduktiv und für das ökologische Optimum abträglich sein. Die zusätzliche lokale Einspeisung von zum Beispiel Solarthermie auf Hausdächern in die (ansonsten über die Fernwärmesysteme gespeisten) Warmwasserspeicher ist Stand der Technik ebenso wie die trennscharfe Messung der beiden Wä

Auch nach der Klärung blieb der Oberbürgermeister bei seiner Position. Selbst für die Solarthermie dürfe es keine Ausnahmen vom Anschlusszwang bei der Fernwärme geben. Sonst sei diese nicht wirtschaftlich. Und: „Solarthermie macht nur im Netz Sinn, nicht einzeln.“

Ende des Zitats

Dieses kleine Thema war ähnlich wie die Diskussion der ökologischen Sinnhaftigkeit der Investition in Solarthermie-Anlage Au West nur ein Ausschnitt aus den Fragestellungen zu dem großen Klimaschutzprogramm. Der Diskussionsprozess des Klimaschutzprogramms 2020-2030 – mit der versprochenen Klimaneutralität am Ende – war so gestaltet worden, dass der Gemeinderat nahezu völlig aus fachlichen Gesprächen herausgehalten wurde. Unserem Wunsch als Gemeinderäte mit den Fachleuten direkt diskutieren und ihnen Fragen stellen zu können, wurde sofort vom Oberbürgermeister damals abgebügelt. Wir könnten nach Beendigung des Beteiligungsprozesses dann als Gemeinderäte gerne Anträge stellen.

Aber jetzt soll das Klimaschutzprogramm doch ganz schnell vom Gemeinderat beschlossen werden. Jetzt wird angesichts unserer Anträge die Nase gerümpft.  Am besten ohne nennenswerte eigene Beteiligung soll der Gemeinderats am besten von gestern auf gleich alles wie vorgelegt abnicken. Und wer jetzt noch inhaltliche Anträge stellt, wird verdächtigt, das er offensichtlich den Prozess der Klimarettung bösartig aufhalten will.

Wir werden nicht alles abnicken, solange wir nicht davon überzeugt sind, dass das Programm Hand und Fuß hat und als Arbeitsprogramm taugt. In den marktschreierischen “Überbietungswettbewerb der haltlosen Versprechungen” stimmen wir nicht mit ein.
Dass sich Fridays for Future mit vollmundigen Versprechungen abspeisen lässt, das enttäuscht uns sehr.

Wir aber kämen uns wie Heuchler gegenüber der Bürgerschaft vor, wenn wir durch unsere Zustimmung dem aktuellen Programm attestieren würden: Damit ist das Ziel der Klimaneutralität 2030 zu erreichen. Es liegt allerhöchstens eine gute Stoffsammlung für ein Klimaschutzprogramm vor. Ein Arbeitsprogramm muss priorisieren, was tun wir heute morgen, übermorgen. Mit welchem Geld erreichen wir die Ziele am effektivsten. Wer übernimmt welche Verantwortung und wer trägt die Kosten.

Wir wollen erreichen, dass wir so strukturiert vorgehen, wie uns das andere Städte wie z.B. Ludwigsburg schon längst vorgemacht haben. Wir hinken bei der Erarbeitung eines Programms eher bundesweit hinterher und sollten jetzt nicht durch unsere haltlose Behauptung der Klimaneutralität 2030 so tun, als hätten wir anderen Kommunen plötzlich überholt. Das ist nur ein hohles Versprechen, wenn man kein belastbares Arbeitsprogramm hat.