Monatstickets sollen in Tübingen Bewohnerausweise ersetzen, auch in den Teilorten soll das Parken an den Straßen kosten. So könnte der ticketfreie ÖPNV finanziert werden, meint der Oberbürgermeister. Christl Glauder fordert im Schwäbischen Tagblatt: “Bitte erst dafür sorgen, dass wir kein Auto brauchen, dann jene zur Kasse bitten, die trotzdem Auto fahren.” Das ist auch aus meiner Sicht die einzige akzeptable Vorgehensweise. Nicht einmal in Tübingen ist der ÖPNV so ausgestattet, dass alle Menschen auch ohne Auto alles machen können was sie machen möchten.
Zum Beispiel: Wer im Philosophenweg wohnt und nicht (mehr) gut zu Fuß ist, hat abends und an Sonn- und Feiertagen ganztags keine Möglichkeit, mit dem Bus zu Fahren, weil die Linie17 nicht verkehrt. Das Gebiet, in dem ich wohne, ist zwar besser mit Bussen versorgt; aber weil ich kein Auto mehr habe, muss ich auf Vieles verzichten, was ich gerne täte.
Nicht einmal Veranstaltungen im Sparkassen Carré kann ich besuchen, weil die dortige Bushaltestelle (Linie2) nur bis kurz nach 20Uhr bedient wird, ich also nach Veranstaltungsende eine Nachtwanderung absolvieren müsste, was ich nicht mehr kann (…).

Im Übrigen: Was unternimmt denn OB Palmers Stadtverwaltung selbst, um Abgas-Emissionen zu minimieren? Die Rasenmäher und Laubsauger haben doch wohl alle einen Verbrennungsmotor, und wenn die Stadt schon meint, auf diese Geräte nicht verzichten zu können (früher konnte sie es ja), sollten sie so selten wie möglich eingesetzt werden. Wiesen müssen nicht alle paar Wochen gemäht werden, und eine Wiese wie der “Bärenspitz” muss gar nicht gemäht werden, wenn sie wie früher von Schafen abgeweidet wird. Außerdem sollte die Stadt endlich den Umweg wieder abschaffen, den die Busse der Linie3 seit mehr als dreieinhalb Jahren auf der Oberen Viehweide fahren müssen!

11. Juli 2019, Adelheid Schlott, Tübingen

Zwickmühle

Eine Verringerung des privaten Auto-Verkehrs in der Zentralstadt erreicht man durch Verknappung oder Verteuerung der Parkplätze, kostenlosen ÖPNV oder Verbesserung des ÖPNV-Angebots. Die meisten Fachleute bevorzugen die Verbesserung des Angebots. Unser OB setzt auf die kostenfreie Variante. Zugleich muss er als Aufsichtsratchef der Stadtwerke dafür sorgen, dass das Millionendefizit des ÖPNV, welches die Stadtwerke ausgleichen müssen, nicht zunimmt. Also droht eine Verschlechterung des Angebots. Das merken wir Tübinger samstags: Zahlreiche Buslinien fallen ganz aus, andere fahren nur bis zum Hauptbahnhof und fast alle fahren viel zu selten.
Um aus dieser Zwickmühle – einer klassischen Lose-lose-Situation für den OB – herauszufinden, sollen alle, die auf den Straßen, auch in den Vororten, parken, dafür zahlen. Dadurch soll nebenbei der private Auto-Verkehr in die Stadt unterbunden werden.

Das ist einerseits eine staunenswerte Idee, die nicht umsetzbar ist. Andererseits zäumt man das Pferd von hinten auf: Erst muss das ÖPNV-Angebot verbessert werden ( Regional- und Stadtbahn, sichere Fahrzeiten, keine Zugausfälle, Zunahme der Haltestellen in den weit ausladenden Umlandgemeinden), dann müssen genügend Park-and-ride-Plätze geschaffen werden inclusive eines eng getakteten Zubringerverkehrs in die Zentralstadt, ehe der beabsichtigte Effekt eintritt.
Das kostet. Ohne Zweifel kann das die Stadt alleine nicht stemmen. Vielmehr müssen alle Gemeinden im Kreis dazu beitragen, weil deren Einwohner die Nutznießer aller oben genannten Maßnahmen sind.

12. Juli 2019, Albrecht Kühn, Tübingen