Mit dem “Schutzstreifen-Konzept” gibt sich Tübingen oft zufrieden.
Wir halten es für Augenwischerei. Wie oft streifen die Busfahrer in der Mühlstraße einen Radler um Haaresbreite, wie oft verdrängen Autofahrer die Radler vom Streifen auf der Steinlach-Brücke/Friedrichstraße! Auf der Kusterdinger Straße hinter der Alten Weberei müssten sich die Autos dünn machen, tun es aber nie.
Wenn das radelnde Kind auf dem Schutzstreifen vor uns fährt, kriegt man regelmäßig einen Herzkasper. Und dahinter? Geht GAR NICHT!
Richtig gute Fahrradstädte wie Kopenhagen haben sich längst von den billigen Schutzstreifen verabschiedet. Aber in Tübingen macht man sich gern was vor, malt was auf die Straße und ist beruhigt.
Jetzt unterstützen uns die Experten in einem Spiegel-Bericht: http://www.spiegel.de/…/sicherheitsabstand-autofahrer-duerf…
Autofahrer müssen beim Überholen 1,5 Meter Seitenabstand zu Radlern halten – selbst wenn diese auf einem Radfahrstreifen unterwegs sind. Diese Einschätzung in einem Versicherungs-Gutachten könnte gravierende Folgen haben.
Und es wird Autofahrern nicht gefallen: Das Rechtsgutachten zur Sicherheit markierter Radverkehrsführungen vom 7. November 2018 von Prof. Dr. jur. Dieter Müller kommt in vielen Straßen einem Überhol-Verbot gleich.
Der Spiegel schreibt am 18. Januar 2019:
“Das Gutachten bestätigt unsere seit Langem vertretene Rechtsauffassung”, sagte eine Sprecherin des Fahrradclubs ADFC. Aufklärung über die Regel reiche nicht aus, es müssten Konsequenzen folgen. Die Polizei müsse den Abstand beim Überholen messen und Autofahrer sanktionieren, um Radler zu schützen. “In Deutschland ist es fast normal, Radfahrende auf der Fahrbahn als Störfaktor wahrzunehmen, die man bedrängen oder anhupen kann.”
Der Autofahrerverein ADAC sieht mangelnden Sicherheitsabstand beim Überholen nicht als drängendes Problem. Unzureichender seitlicher Abstand sei nur selten eine direkte Unfallursache, sagte eine ADAC-Sprecherin.
Das eigentliche Problem seien “Kreuzungen, Einmündungen und Zufahrten, wo sich etwa 70 Prozent der innerörtlichen Radverkehrsunfälle ereignen”, so die Sprecherin weiter. Auch sogenannte “Dooring”-Unfälle durch unachtsam geöffnete Autotüren seien ein größeres Risiko. Der ADAC empfiehlt den Kommunen, Radwege und Schutzstreifen breiter anzulegen.
Vor allem die – im Gegensatz zu Radfahrstreifen – nur gestrichelt markierten Schutzstreifen seien beim Überholen gefährlich, sagte dagegen UDV-Leiter Siegfried Brockmann. Autofahrer würden Radfahrer dort oft viel enger überholen als erlaubt. Bockmanns Schlussfolgerung: “Radverkehrspolitik, die auf breiten Einsatz von Schutzstreifen setzt, ist verfehlt.”
Durchschnittlich 3200 Kollisionen von Lkw und Fahrradfahrern jährlich vermeldet die Unfallforschung der Versicherer (UDV). Nüchtern lautet die Opfer-Statistik jedes Jahr: rund 660 verletzte Radfahrer und 70 Tote, etwa ein Drittel von ihnen kommt bei Abbiegeunfällen ums Leben. Der elektronische Abbiegeassistent beim Lkw könnte jedem dritten Unfallopfer das Leben retten.
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Wie können Radfahrer sich besser schützen?
Irren ist menschlich. Leider muss man diese Regel als Radfahrer besonders beherzigen – weil Fahrfehler oder Nachlässigkeiten von Autofahrern für Radler besonders böse enden können. Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) hat sieben Regeln für Radfahrer aufgestellt. Wer sie befolge, steigere seine Sicherheit im Straßenverkehr.
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Mit allen Sinnen unterwegs sein – kurz: vor allem Augen und Ohren auf! Musik aus dem Kopfhörer lenkt ab, auch wenn die Unterhaltungsgeräte per se im Straßenverkehr nicht verboten sind. Zudem rät die Verkehrsreferentin Stefanie Miczka vom ADFC in Hamburg dazu, dass Radfahrer nicht auf ihr Recht pochen sollten. Im Zweifel lieber Anhalten statt zu riskieren, dass es zu einem Unfall kommt.
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Selbstbewusst, aber trotzdem defensiv fahren: Wer mit dem Rad unterwegs ist, muss manchmal auch ein Hupkonzert aushalten können. Miczka rät Radfahrern in engen Straßen dazu, weit in der Straßenmitte zu fahren. So werde Autos das Überholen unmöglich gemacht – zur eigenen Sicherheit, denn der Abstand zu parkenden Autos sollte im Schnitt mindestens einen Meter betragen. Autofahrer wiederum sollten zwischen sich und dem zu überholenden Fahrrad 1,50 Meter freihalten.
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Generell sollten Radfahrer auf der Fahrbahn geradeaus fahren und nicht in Lücken einscheren – also zum Beispiel auf Parklücken oder Busspuren ausweichen. Wer ein Handzeichen gibt, sollte dann auch zügig seinen eingeschlagenen Weg fortsetzen. Zögerliches Radfahren sorge für Missverständnisse und erhöhe die Unfallgefahr.
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Blickkontakt zu anderen Verkehrsteilnehmern suchen: Wer als Radfahrer den Blickkontakt zum Autofahrer sucht, merke, ob er gesehen wird.
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Abstand halten und sich Sicherheitszonen schaffen: Abstand sollten Fahrradfahrer nicht nur zu parkenden Autos halten, sondern auch immer zum Bordstein. Denn wer weit rechts Richtung Kante unterwegs ist, habe keine Pufferzone mehr, falls er knapp überholt wird. Der ADFC empfiehlt etwa 50 bis 100 Zentimeter Abstand.
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Abbiegende Autos und Lkws erfordern erhöhte Aufmerksamkeit: Stichwort toter Winkel – es gibt Bereiche für Auto-, Bus- und Lkw-Fahrer, die trotz Spiegel- und Kamerasystemen nicht einsehbar sind. Diese Zonen sind für Radfahrer besonders gefährlich. Deshalb sollten sich Radfahrer immer im Sichtbereich der anderen Verkehrsteilnehmer bewegen – also vor den Fahrzeugen aufstellen oder weit rechts dahinter. Ist dies nicht möglich, sollten sie einkalkulieren, dass der Abbiegende sie nicht sehen kann und entsprechend defensiv fahren.
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Nicht als Geisterfahrer unterwegs sein: Das gelte nicht nur für die Straße, sondern auch für Radwege. Wer einen Radweg in falscher Richtung befahre, gefährde sich und andere Radfahrer.