Mittwochspalte v. Ernst Gumrich 27.04.2021 |  Das war ein Paukenschlag: „Palmer gegen Schindhau-Tunnel. Der Tübinger Oberbürger- meister rückt vom größten Straßenbauprojekt der Region ab und erwägt einen Bürger- entscheid.“ So übertitelte das TAGBLATT letzten Donnerstag den Bericht zu einem über- raschenden Palmer-Facebook-Post vom Vortag: Der Tunnel passe technologisch nicht in die Zeit. Bald könne der leise und abgasfreie E-Autoverkehr störungsfrei durch die Süd- stadt geführt werden. Statt eines Tunnels sollten viel günstigere Brückenbauwerke die städtebauliche Trennung aufheben und so riesige CO2-Mengen beim Tunnelbau vermeiden.

Weshalb bringt er das heikle Thema jetzt? Nicht Tübingen, sondern Landkreis, Land und Bund entscheiden über den Tunnel und haben das vor langer Zeit getan. Er musste wis- sen, dass ihm alle Parteien in die Hacken treten würden. Die Region will einvernehmlich die langjährige Engstelle der B27 beseitigen. Prompt folgte der Sturm der Entrüstung.

Über Nacht bereits widerrief Boris Palmer bzw. stellte sich als missverstanden dar.

Was sollte dieser Anritt? Der letzte Satz des Facebook-Beitrags hilft bei der Deutung:

„Dazu würde ich gerne mal etwas von der Tübinger Liste und der BI Gleisfrei lesen“, schloss er. Wieso forderte er das anklagend gerade von uns? Seit wir 2014 in den Gemein- derat kamen, stellte sich die Frage „Tunnel ja oder nein“ dort nie. Die tiefere Logik seines Vorwurfs war wohl: Wenn die Innenstadtstrecke der Regionalstadtbahn wegen der ho- hen Kosten (mit neuen Zusatzkosten deutlich über 250 Millionen Euro), der CO2- Belastung beim Bau und der 2030 stark veränderten Verkehrstechnik von der Bürger- schaft am 26. September im Bürgerentscheid gestoppt wird, dann müsse der Schindhau- tunnel aus gleichen Gründen auch dran glauben: Zwei Bürgerentscheide oder keiner.

Man mag angesichts des Wandels der Zukunftsmobilität den Sinn des Tunnels überden- ken oder, wie unser Peter Bosch visionär schon vor vielen Jahren, statt zweier Röhren mit vier Spuren eine Röhre für ausreichend halten. Der Tunnel ist jedoch kein Projekt der Stadt und kann – anders als die Innenstadtstrecke – hier nicht Gegenstand eines Bürger- entscheids werden. Wir freuen uns aber, dass der Oberbürgermeister in seinem Verriss des Tunnels beiläufig die Mobilitätsentwicklungen und viele weitere Argumente bestätig- te, auf denen unsere Ablehnung der Innenstadtstrecke fußt.

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