3. BAUEN UND WOHNEN

Tübingen mit seinen inzwischen über 91.000 Einwohnern erlebt seit 15 Jahren ein intensives Wachstum, das uns vor große Herausforderungen stellt. Die Entwicklung unserer Wirtschaft, Universität und Forschungseinrichtungen führt zu einem starken Bedarf an Gewerbeflächen und, noch dringender, an bezahlbarem Wohnraum. Knappe Flächen und gestiegene Baukosten sind eine große Herausforderung. Wir werden um die Ausweisung weiterer Baugebiete und möglicherweise auch die Absenkung von Standards kaum herumkommen.

Mehr Sozialwohnungen bauen

Tübingen hat sich beim Bau von Sozialwohnungen stark engagiert und mehr erreicht alsandere Kommunen. Trotzdem bleibt ein hoher Bedarf an bezahlbarem Wohnraum. Unsere städtische Wohnungsbaugesellschaft (GWG) spielt für die Schaffung von Sozialwohnungen eine Schlüsselrolle: Sie baut sie nicht nur, sondern vermietet auch ihren eigenen und den großen städtischen Wohnungsbestand zu günstigen Konditionen. Sie bringt Wohnungen, die aus der Sozialbindung gefallen sind, inzwischen mit staatlichen Unterstützungsprogrammen in die Bindung zurück. Die Stärkung ihrer Eigenkapitalbasis hilft der GWG, die Kostensteigerungen besser zu bewältigen. Dies alles unterstützen wir nachdrücklich. Zudem setzen wir uns aktuell für Flexibilität beim Energiestandard ein, um den Bau von Sozialwohnungen der GWG wirtschaftlich zu ermöglichen.

Angebot an bezahlbaren Wohnungen vergrößern

Wie, wo und wann kann zusätzlicher Wohnraum mit einem hohen Anteil an erschwinglichen Wohnungen geschaffen werden? Sorgfältige Überlegungen und sinnvolle Verpflichtungen sind erforderlich. Dabei müssen Bebauungspläne, Baugenehmigungen und Bauprojekte von der Verwaltung zügig umgesetzt werden. Die angelaufene Verwaltungsdigitalisierung könnte hier positiv wirken. Werden die Projekte richtig priorisiert? Wir werden ein wachsames Auge darauf haben.

Unter dem Begriff „Fairer Wohnen“ arbeiten Gemeinderat und Verwaltung seit langem mit einem Bündel von Zielvorgaben daran, den Wohnungsmarkt zu entspannen und bezahlbar zu halten. Wir setzen auf eine hohe Quote preisvergünstigter Wohnungen und angemessene Energiestandards, während wir sorgfältig auch die Rechte und Interessen der Immobilienbesitzer abwägen. Unser Ziel ist es, Überregulierungen zu vermeiden, die neuen Wohnraum sogar verhindern könnten.

Wir halten das Tübinger Konzept-Verfahren bei der Vergabe städtischer Grundstücke zu festgelegten fairen Preisen für gut. Die Qualität der Konzepte ist ausschlaggebend für die Auswahl der Bewerber, so praktiziert im Güterbahnhofsgelände, am Hechinger Eck und in der Marienburger Straße. Bei der Vergabe geht es darum, welche Projekte den größten Wert für die Stadt bringen (sozial, architektonisch, durch Angebote wie Kindergärten, Sozialstationen, Angebote an die Nachbarschaft etc.). So bekommen Baugemeinschaften, Genossenschaften, kommunale Wohnbaugesellschaften und andere private Bauherren eine Chance. Diese gute Vergabepraxis wollen wir beibehalten.

Genossenschaften können eine wichtige Rolle bei der Bereitstellung bezahlbaren Wohnraums übernehmen. Sie bauen kreativ, gut und günstig, was den von ihnen geschaffenen Wohnungsmarkt langfristig erschwinglich hält. Wir fördern ihre Beteiligung an Grundstücksvergaben. Die von Land und Stadt unterstützte neue Dachgenossenschaft in Tübingen ist ein weiterer Schritt in diese Richtung, den wir begrüßen. Allerdings stoßen wir bei der Förderung einzelner Projekte dieser Dachgenossenschaft an die Grenzen der Verteilungsgerechtigkeit.

Unsere Kandidatinnen und Kandidaten bringen das Fachwissen ein, um an diesen Themen mitarbeiten und ihre Umsetzung kritisch begleiten zu können.

Zukunftsgerechter Städtebau auf dem Saiben

Im Saiben, unserem größten Entwicklungsgebiet, wollen wir etwa 600 Wohnungen als Teil einer ambitionierten „Stadt von Morgen“ gestalten. Angelehnt an das Konzept des Fraunhofer-Instituts und das ganz aktuelle Paradebeispiel Freiburg-Dietenbach wünschen wir uns dort eine Integration von ökologischem Bauen, Wärmeversorgung, Smart-City-Technologien, intelligenten Stromnetzen, neuen Mobilitätskonzepten und Schwammstadt-Ideen, um nur
die wichtigsten Konzeptideen zukunftsgerechter Städte zu nennen. Aus den Erfahrungen des Güterbahnhofareals, wo wichtige Infrastrukturen wie
lasfaser und E-Mobilitätsstandards fehlten, müssen wir lernen und es besser machen.

Wohnraumreserve unter den Dächern

Ungenutzter Raum, der als Wohnraum nutzbar wäre, befindet sich unter den Dächern, insbesondere in unserer Altstadt. Dies wäre eine gute Form der Verdichtung direkt in der Stadt, ohne dass Grünflächen geopfert werden müssten. 2014, zu Beginn unserer ersten Amtszeit, schlugen wir vor, die Altstadtsatzung und den Bebauungsplan Altstadt so zu überarbeiten, dass solche Möglichkeiten erleichtert werden. Unser Vorschlag wurde erst Ende 2018 vom Gemeinderat aufgegriffen, und die Umsetzung soll jetzt nach zehn Jahren des Wartens bald beginnen. Zehn Jahre, in denen Umbauten finanziell attraktiv waren, verstrichen leider ungenutzt. Wir bleiben weiter dran und hoffen, dass die Realisierung baldmöglichst stattfindet. Bei der GWG wird die Idee, Wohnraum unterm Dach zu schaffen, in einigen großen Wohnkomplexen außerhalb der Altstadt bereits umgesetzt. Das ist großartig und wird von uns sehr begrüßt.

Städtische Initiative gegen Wohnungsleerstand

Vor sieben Jahren eingeführt, hat die Zweckentfremdungsverordnung nur sehr begrenzt Erfolg gegen den Leerstand von Wohnraum gezeigt. Kein einziges Verfahren erzwang die Reaktivierung leerstehender Wohnungen. Wir erkennen, dass rechtliche Maßnahmen allein nicht ausreichen, um hunderte leerstehende Wohnungen wieder zu nutzen. Unser Ansatz setzt auf Kooperation, zum Beispiel könnte die Stadt oder ein städtisches Unternehmen als verlässlicher Zwischenmieter auftreten, um Eigentümern Unsicherheiten und Belastungen abzunehmen.

Wir haben bereits vor zehn Jahren in öffentlichen Vorträgen und in Gesprächen mit der Verwaltungsspitze eine städtisch unterstützte Beratung für Eigentümer leerstehender Häuser ins Gespräch gebracht. Diese sollte helfen, die Komplexität baurechtlicher Anforderungen,

von Denkmalschutzbestimmungen, finanziellen Risiken und Fragen der Steuerung eines Sanierungsprojektes zu entwirren. Viele Leerstände resultieren schlicht aus der Überforderung der Eigentümer durch solche großen und meist auch teuren Sanierungen. Durch die Nutzung lokaler Fachkompetenz könnten wir eine überwiegend ehrenamtliche Unterstützung für Immobilienbesitzer organisieren. Nebenbei könnte damit auch der inzwischen gefährliche
Verfall historischer Bausubstanz in der Altstadt gebremst werden.

Neue Wohnheime für Studierende

Mit über 28.000 Studierenden in unserer Stadt besteht ein intensiver Wettbewerb um Wohnraum. Studentische Wohngemeinschaften können oft höhere Mieten zahlen als Familien, was zu deren Verdrängung führt. Trotz des Anstiegs der Studierendenzahlen wurden in den letzten 15 Jahren vom Land oder Studierendenwerk keine neuen Wohnheime errichtet. Wir haben regelmäßige Gespräche zwischen Gemeinderat, Universität, Landesbauverwaltung und Studierendenwerk initiiert und bestehen jetzt auf zusätzlichen Wohnheimen zur Entlastung des Wohnungsmarktes. Nach einem Führungswechsel im Studierendenwerk sind wir optimistisch.

Wahlprogramm 2024

Das komplette Wahlprogramm der Tübinger Liste hier zum Download als PDF