4. WIRTSCHAFT, HANDEL, HANDWERK, UNIVERSITÄT UND TOURISMUS

Tübingens Wirtschaft ist vielfältig und sorgt für hohe Gewerbesteuereinnahmen. Solide und innovative Industriebetriebe, ein breit gefächertes Handwerk und hochmoderne Medizingeräte-, Biotech- und IT-Unternehmen schaffen Arbeitsplätze.

4.1 Wirtschaft

Rare Gewerbeflächen optimal nutzen

Gewerbeflächen sind genauso rar wie Wohngrundstücke. Die Stadt bemüht sich, Betriebe mit großem Flächenbedarf und wenigen Mitarbeitern nicht mehr in Tübingen anzusiedeln. Aber allein durch das Wachstum der vorhandenen Tübinger Wirtschaft, der Universität und der Kliniken ergibt sich ein Flächenbedarf, der bald nicht mehr befriedigt werden kann. Auf dem Schelmen kann möglicherweise in den kommenden Jahren noch ein größeres zusammenhängendes Gewerbegebiet entstehen. Bei den neuen und bei den bereits bestehenden Gewerbeflächen sollte nach dem Grundsatz der Innenentwicklung zukünftig noch intensiver geprüft werden, wie sie optimal zu nutzen sind. Höher zu bauen kann viel Fläche sparen. Darüber hinaus sollte die Wirtschaftsförderungsgesellschaft
(WIT) bei Anfragen systematisch prüfen, wo es Brachen und Leerstände gibt, und zwar auch in den Teilorten und Nachbargemeinden des Landkreises. Die Vergabe von Gewerbeflächen muss sich primär an den berechtigten Interessen der örtlichen Firmen orientieren. Neue Betriebe, Start-ups, die hier in Tübingen entstehen oder sich aus guten Gründen, wie etwa der Nähe zu unseren wissenschaftlichen Institutionen, hier ansiedeln möchten, müssen unseren Vorgaben entsprechen: Hohe Wertschöpfung, hohe Arbeitsplatzdichte, High Tech und möglichst emissionsarm. Wirtschaftswachstum um jeden Preis darf nicht der Tübinger Ansatz sein.

4.2 Handel und Gastronomie

Weniger Leerstand, mehr Aufenthaltsqualität in der Altstadt

Lange Zeit bot Tübingens Altstadt mit ihren vielen inhabergeführten Geschäften und einem fast unschlagbaren Ambiente eine wohltuende Ausnahme von den typischen Innenstädten mit den immer gleichen Großketten-Läden. Diese inhabergeführten Geschäfte, selbst in den besten Lagen wie am Marktplatz, sterben immer mehr aus. Darüber hinaus sind immer mehr Leerstände festzustellen. Wir unterstützen die von der Stadt aufgesetzte Rahmenplanung für die Altstadt, die noch in diesem Jahr Antworten liefern soll, wie die Attraktivität der Altstadt langfristig erhalten werden kann. Vieles halten wir für erforderlich, zum Beispiel:

  • Die Stadt muss einen gepflegten Eindruck machen, überquellende Abfallkörbe tragen nicht dazu bei, das Wegwerfen und Liegenlassen von Müll auch nicht. Deshalb brauchen wir sowohl eine der Größe der Stadt angemessene Zahl von Mülleimern als auch einen Ordnungsdienst, der stärker kontrolliert und auch mal Knöllchen verteilt.
  • Kostenlose Verweilplätze, auch für junge Menschen, sind nötig. Trinkbrunnen und Sitzgelegenheiten gehören dazu.
  • Die Fußgängerzone sollte frei von Radfahrern sein. Auch hier muss der Ordnungsdienst mehr hinschauen. Der Parksuchverkehr muss zurückgedrängt werden.
  • Mit den „Netten Toiletten“ in Restaurants finden Besucher der Stadt eine Toilette, für die wir uns nicht schämen müssen. Sie sind eine wichtige Ergänzung zur Grundversorgung mit öffentlichen Toiletten und bedürfen deshalb finanzieller Förderung.

Das bisher im Altstadt-Bebauungsplan enthaltene Verbot einer Ausweitung des Angebots an Gaststätten ist angesichts der Zunahme des Leerstands von Einzelhandelsflächen zu hinterfragen. Eine maßvolle Erweiterung des gastronomischen Angebots sollte innen und außen ermöglicht werden. Das ist nicht nur ein Trend. Die wenigen weiterhin sehr erfolgreichen alten Innenstädte haben nach unseren Beobachtungen alle diesen relativ hohen Anteil an Gaststätten
und gaststättenähnlichen Betrieben.

Die vielen Leerstände und untergenutzten Flächen wie am Marktplatz und in der Neuen Straße sind ein Ärgernis. Wir wünschen uns einen klaren Dialog der Stadt mit den Vermietern, die durch überzogene Miethöhen Leerstände und Geschäftsaufgaben produzieren. Die Hausbesitzer und Vermieter sollten dafür sensibilisiert werden, schon bei sich abzeichnenden Kündigungen oder Leerständen die städtische Wirtschaftsförderung (WIT) anzusprechen. Sie könnte mithelfen bei den Fragen: Welche Nutzung passt in das Umfeld, wie können Flächen benachbarter Häuser vielleicht zusammengelegt werden, wie lässt sich möglichst problemlos eine Nutzungsänderung erreichen, welche Interessenten sind auf der bei der Wirtschaftsförderung geführten Interessentenliste, wie lassen sich moderate Mieten durchsetzen?

Nachts in Tübingen

Wir setzen uns für ein vielfältiges Nachtleben in Tübingen ein und wünschen uns ein Angebot an Bars und Clubs in der Altstadt, das alle Altersgruppen bedient und für eine gute Durchmischung sorgt. Das Feiern und die Wege nach Hause müssen für alle sicher sein. Wir wünschen uns ein funktionierendes Konzept, das dem Bedürfnis der Anwohner nach Nachtruhe und dem Anspruch Tübingens als lebendige und junge Stadt gerecht wird. Wir setzen auf die Weiterführung der Runden Tische zwischen Gastronomen, Stadt und Bürgern, die Selbstverantwortung der Clubbetreiber und Gastronomen kombiniert mit einer besseren Kontrolle durch den kommunalen Ordnungsdienst. Mit den Club- und Kulturzentren außerhalb der Altstadt bietet Tübingen ein breites Angebot, auch überregional. Diese Zentren, zum Beispiel Sudhaus und Schlachthaus, möchten wir unterstützen und weiter ausbauen, auch in Bezug auf die Erreichbarkeit mit dem ÖPNV.

4.3 Handwerk

Unsere Handwerker sind oft seit Generationen in dieser Stadt ansässig und müssen mit ihren Mitarbeitern hier ihren Geschäften nachgehen können. Für das Handwerk sind Rahmenbedingungen zu schaffen, die eine zukunftssichere Entwicklung ermöglichen.

Deshalb setzen wir uns dafür ein, dass den Handwerkern ausreichend Flächen für ihre Weiterentwicklung zur Verfügung stehen. Wir sind froh, dass aktuell die Gewerbefläche Aischbach II Handwerksbetrieben angeboten wird, nachdem die Gemeinderatsmehrheit zunächst eine andere Verwendung vorgesehen hatte.

Damit bestehende Handwerksbetriebe in der Familie weitergeführt oder an außenstehende Handwerker übergeben werden können, brauchen wir auch in Zukunft geeignete, motivierte junge Menschen für die handwerkliche Ausbildung sowie Facharbeiterinnen und Facharbeiter. Berufliche und akademische Ausbildung sind gleichwertig. Um Fachkräfte zu gewinnen, müssen wir den mittleren Bildungsabschluss und die duale Ausbildung stärken statt ein neues Gymnasium zu bauen. Wir müssen Ausbildungsbetriebe fördern und den handwerklichen Berufsweg nicht nur in Schulen, sondern auch im Rahmen von Integrationskursen aktiv bewerben.

Das Handwerk braucht die sichtbare Aufmerksamkeit und Anerkennung von Politik, Verwaltung und Gesellschaft. So könnten zum Beispiel der Oberbürgermeister bei Lehrabschlussfeiern, beim Übergeben der (goldenen) Meisterbriefe und sonstigen Handwerksveranstaltungen zugegen sein.

4.4 Universität

Hat Tübingen eine Universität oder ist Tübingen die Universität? Jedenfalls besteht eine gegenseitige Abhängigkeit. Deshalb ist eine Verstärkung des bisherigen Dialogs wichtig. Größe und weiteres Wachstum von Universität und Kliniken haben erhebliche Auswirkungen auf den Flächenbedarf, den Wohnungsmarkt, die Verkehrsplanung und -lenkung u.v.m. Es zeichnet sich ab, dass die Universität auf eine Erweiterung des Campus Morgenstelle in Richtung Rosenau verzichten kann und der Entwurf des Rahmenplans vom Dezember 2022 damit gegenstandslos wird. Wir begrüßen das ebenso wie die Aussicht, dass das Klinikum das
Gebiet der Oberen Sarchhalde für seine Erweiterungspläne nicht mehr benötigen wird.

4.5 Tourismus

Tourismusangebote vernetzen

Touristen sind extrem wichtig für den Handel, die Gastronomie und das Übernachtungsgewerbe. Studien und Gespräche mit den Betrieben belegen: Ohne Tourismus wären nur wenige Betriebe in der Innenstadt überlebensfähig. Umgekehrt kann die Lösung auch nicht der Massentourismus sein. Auf das richtige Maß kommt es an: Welche Art von Tourismus tut uns gut, und welche Grenzen sollten wir nicht überschreiten? Auf diesem Feld hat der Bürger und Verkehrsverein gemeinsam mit der städtischen WIT die Tübinger Angebote und das Auftreten der Stadt im Markt, zum Beispiel bei Messen, gut geschärft und gerade in den letzten Jahren zu einer immer besseren Zusammenarbeit gefunden.

Der Umbrisch-Provenzalische Markt, die ChocolART, der Weihnachtsmarkt, das Stadtfest und viele weitere Veranstaltungen sind bei Einheimischen und Touristen sehr beliebt. Aber es gilt auch, die berechtigten Interessen von Anwohnern und Ladenbesitzern zu wahren, die der Lärmbelastung ausgesetzt bzw. deren Schaufenster und Ladeneingänge manchmal kaum noch zu finden sind. Hier braucht es Lösungen, die allen Seiten gerecht werden.

Wir wünschen uns, dass sich die Universität mit ihren zahlreichen Kongressen und den weltweit bekannten Eiszeitfunden auf dem Schloss stärker mit der städtischen Tourismusförderung verbindet. Diese gemeinsamen Bemühungen von Stadt und Universität wollen wir aktiv mitgestalten. Eine maßvolle Verzahnung des kulturellen Angebots in Tübingen mit internationalen Touristenmagneten wie zum Beispiel Metzingen könnte dem Tourismus in Tübingen guttun.

Als Ergänzung zum boomenden Campingtourismus können wir uns auch einen einfachen Wohnmobilstellplatz am Stadtrand vorstellen, den es inzwischen in vielen Städten Deutschlands gibt.

Wahlprogramm 2024

Das komplette Wahlprogramm der Tübinger Liste hier zum Download als PDF