Es fehlt ein echtes Radwegenetz, finden zwei Tübinger und loben einen Wettbewerb für Problemstellen aus. Alle können mitmachen.
Tübingen ist kein Paradies – jedenfalls nicht für Radfahrer. Der Allgemeine Deutsche Fahrradclub ADFC stellte im Jahr 2018 fest: Tübingen ist mit der Note 3,5 schlechtes Mittelmaß. Da tröstet auch nicht darüber hinweg, dass andere Kommunen noch schlechter abschneiden. Trotz aller Lippenbekenntnisse des Oberbürgermeisters sind die Radfahrer der Stadt höchstens ein paar Farbeimer und eine luxuriöse Zähl-Säule wert. Allenfalls millionenschwere Zuschüsse bewegen etwas: zum Beispiel zu Brücken-Bauwerken, die dann einen Keil zwischen Fußgänger und Radfahrer treiben.
Es gibt zwar ein Radverkehrskonzept von 2010, doch wenig davon ist beherzigt oder umgesetzt. Zu eng ist die Stadt, zu langsam mahlen die Mühlen der Bürokratie. Das finden auch zwei Rad fahrende Aktivisten: Wolfgang Scharnke, Gastroenterologe, und der Solarunternehmer Andreas Golding. Sie laden ein, die Gefahrenstellen zu fotografieren und Verbesserungsvorschläge einzureichen.
Sie loben einen Fotowettbewerb aus und rufen bis 22. Mai 2019 dazu auf, die schlimmsten “Fahrradfallen” zu melden. Jede und jeder kann mitmachen, biszu drei Fotos einsenden, das Problem beschreiben und möglichst Verbesserungsvorschläge abgeben. Die drei besten Hinweise werden mit 300, 200 und 100 Euro prämiert. Das Geld stiften die beiden Initiatoren.
Die Tübinger Liste unternahm in den letzten fünf Jahren mehrere Anläufe und strandete an der Stadtverwaltung, die immer “keine Zeit” für eine Analyse hatte. Am 6.9.2016 stellten wir einen Antrag, die vorhandenen Unfallstatistiken mit Radbeteiligung systematisch auszuwerten und danach die Prioritäten der Radwege-Ertüchtigung festzulegen. Wir haben eine eigene Sammlung an Bürgerbeobachtungen über “subjektive” Unfallgefahren. Einen Teil davon haben wir in die Antworten zu den Wahlprüfsteinen des örtlichen ADFC (von 2014 !) eingearbeitet:
In den Jahren 2015 bis 2018 gab es laut Polizeimeldungen 99 Radunfälle durch Fremdverschulden, in 77 Fällen mussten die Opfer mit leichter oder schwerer Verletzung in der Klinik behandelt werden. Das größte Gefahrenpotenzial liegt offenbar vor allem dort, wo es keine getrennten Wege für die verschiedenen Verkehrsteilnehmer gibt. Das widerspricht der ideologisch grünen Brille vom Shared Space, wo Lamm und Löwe, SUV und Fahrrad samt Fußgänger gar friedlich nebeneinander grasen.
Die überwiegende Zahl der Crashs passierten allerdings zwischen Auto und Rad. In 13 Fällen erwischte es den Radler beim Ein- oder Ausparken eines Autos oder beim Öffnen der Fahrertür: meist ohne dass ein Radweg vorhanden war. Kreuzungen und Abbiegen der Autofahrer gefährden Radler am stärksten: 38 Unfälle aus diesen Gründen zählte Scharnke in den vier Jahren. Da kommen die Wilhelmstraße, die Reutlinger Straße, die Schnarrenbergstraße und die Neckarbrücke in der Übersicht mehrfach vor.
Unfallschwerpunkte sind vor allem die Achsen von Tübingen nach Lustnau, Kirchentellinsfurt, in die Südstadt und nach Unterjesingen.
Scharnke, laut Schwäbischem Tagblatt vom 11. April: “Die Regionalstadtbahn sollte kein Totschlag-Argument für bessere Radwege sein.”
Wer täglich oder manchmal solche Fahrradfallen passiert, kann sie an info@tuebinger-fahrradfallen.de schicken. Alle Beiträge sind dann unter www.tuebinger-fahrradfallen.de anzusehen. Maximal drei Beiträge können die Teilnehmer schicken: mit jeweils drei Fotos, einer kurzen Beschreibung und einem Vorschlag zur Verbesserung der Problemstelle. Drei Preise (300, 200 und 100 Euro) werden für die krassesten Beispiele samt Vorschlägen vergeben.