„Tag der Reparatur & Wiederverwendung“ in Tübingen am 7. September 2019 – “Besser als jeder Post in Facebook!”

“An diesem Tag konnten wir etwas ausprobieren, was in dieser Form noch nirgends gemacht wurde”, sagt Ivo Lavetti. Mit weiteren sieben Engagierten richtete er sich in noch den für den Umbrisch-Provencalischen Markt vorbereiteten Ständen ein. Die Stadt Tübingen stellte kostenfrei Marktstände und Stromanschlüsse zur Verfügung.
Zu kaufen gab es nichts. Aber trotz des nicht gerade idealen Wetters einen regen Austausch an Ideen.

Teilgenommen hatten Teilnehmer/innen aus folgenden Bereichen:
– Pflege- und Reparaturservice für Orientteppiche.
– PC-Service Reparatur & Gebrauchtgeräte.
– Kleinmöbel gebastelt aus Altholz.
– Geschenkartikel aus Joghurt-Bechern und Plastikflaschendeckeln.
– Schneiderei, Reparaturen, neue Mode aus alten Kleidern.
– Reparaturcafé
– Gebrauchtwarenbörse
– Handgefertigte Dekorationsartikel als Wand- und Tischschmuck aus Papier.
– Bürostuhlaufbereitung
– Zusätzlich gab es einen „Stand der Ideen“ an welchem die Bevölkerung Verbesserungs-
Vorschläge und Ideen ablegen konnten.

Es gab kein Banner mit der Aufschrift „ Tag der Reparatur & Wiederverwendung“. Um zu verstehen, um was es überhaupt geht, mussten die Menschen miteinander reden und das war dann auch so. Die einen fragten und die anderen erklärten. Wieder andere standen einfach dahinter und spitzen die Ohren.

Am Ende der Veranstaltung gab es 100% zufriedene und gut gelaunte Teilnehmer/innen, welche sich durchweg positiv über diese Veranstaltung geäußert haben. Das System, dass man bei einer Teilnahme am „Tag der Reparatur & Wiederverwendung“ keine Kosten für den Stand erwirtschaften musste, da keine Gebühren erhoben wurden, befreite von einem wirtschaftlichen Druck, so dass man sich voll auf das eigentliche Anliegen einzulassen konnte.

Der schönste Kommentar kam von einem der Vertreter der jüngeren Generation am Stand des Reparaturcafés Tübingen: „Das war heute besser als jeder Post bei Facebook!“

Für das nächste Jahr liegen jetzt schon 10 konkrete Anmeldungen und es scheint als sicher, dass sich die Anzahl der Anbieter/innen im nächsten Jahr verdoppeln, wenn nicht sogar verdreifachen wird.

Das Schwäbische Tagblatt sah es so:

Die Leute sind bereit
Beim 1. “Tag der Reparatur & Wiederverwendung” ging es auf dem Holzmarkt um gute Ideen – für das eigene Tun und für politisches Handeln.Ressourcen sinnvoll nutzen: So könnte man das Anliegen zusammenfassen, das Organisator Ivo Lavetti angetrieben hat, einen kleinen Markt der Ideen rund um die Vermeidung von Müll und für eine nachhaltige Lebensweise ins Leben zu rufen. Schon die Umsetzung des ersten Tübinger “Tages der Reparatur & Wiederverwendung” folgte diesem Prinzip. Lavetti, der im großen Maßstab gebrauchte Bürostühle aufarbeitet und unter anderem in seinem Laden in der Hechinger Straße weiterverkauft, war aufgefallen, dass die städtischen Stände für den Umbrisch-provenzalischen Markt (11. bis 15. September in der Altstadt) schon eine Woche vor dessen Beginn aufgebaut werden und dann tagelang ungenutzt in der Altstadt stehen.

Er ging also auf die Stadt zu mit der Idee, diese Stände für einen Tag kostenlos Ausstellern rund ums Thema Nachhaltigkeit zu überlassen. Die Stadt machte mit, so dass am Samstag acht der Stände vor der Stiftskirche über ganz unterschiedliche Themen informierten. Das Reparaturcafé des Werkstadthauses war ebenso vor Ort wie die Gebrauchtwarenbörse der Bruderhaus Diakonie, ein Computer-Reparaturbetrieb und eine Schneidermeisterin, die Upcycling mit Textilien betreibt. Susanne Kurz aus Tübingen zeigte an ihrem privaten Stand vieleBeispiele dafür, was man ausPlastikdeckeln, Kaffeekapseln, Glas, Papier und anderen Materialien an neuen Dekoartikeln oder Gebrauchsgegenständen herstellen kann.
Ivo Lavetti selbst zeigte nicht nur seine Bürostühle, sondern hatte auch einen Tisch der Ideen eingerichtet.
“Das fordert Bürgerbeteiligung heraus”, so seine Hoffnung. Jeder, der eine Idee zum Thema hatte, konnte diese schriftlich formulieren und für andere sichtbar auf dem Tisch platzieren. Lavetti ging dabei mit gutem Beispiel voran. Wenn 30000 Menschen täglich den Tübinger Europaplatz aufsuchten und unweit davon das Uhlandbad drei Millionen Liter Abwasser pro Jahr produziere, dann könnte doch auf dem Europaplatz eine öffentliche Toilettenanlage errichtet werden, in der mit dem gebrauchten Badewasser gespült wird, findet er. Außerdem kämpft er derzeit mit Eingaben beim Petitionsausschuss des Bundestags gegen Regeln, die zu höheren Mehrwertsteuerabgaben für gebrauchte oder wiederaufbereitete Waren führen als beim Handel mit Neuware.
Der Andrang an den Ständen hielt sich am Samstag in Grenzen. Aber die Aussteller versicherten, sie seien trotzdem mit der Resonanz zufrieden. Viele gute Gespräche hätten sich ergeben und man habe etliches Infomaterial an den Mann und die Frau gebracht, meinte zum Beispiel Harald Kiunke von der Retour-Gebrauchtwarenbörse in der Lilli-Zapf-Straße.

Die Stadt Tübingen solle ein verbindliches kommunales Pfandsystem einrichten, an dem sich alle Geschäfte mit Außer-Haus-Verkauf beteiligen müssen, die nicht ein eigenes funktionierendes Pfandsystem nachweisen können, fordert Ivo Lavetti und fand dafür am Samstag bei etlichen Passanten Zustimmung. “Wenn es Geld kostet, seinen Müll zurückzunehmen, dann überlegen sich die Läden, wie sie Abfall vermeiden können”, so Lavetti. Die Menschen seien bereit, an solchen Systemen mitzuwirken, aber die Politik müsse handeln. Stattdessen betreibe man “Stadtreinigung wie vor 200 Jahren” und sammle einfach alles auf, was andere hinterließen.

Schwäbisches Tagblatt, 9. September 2019