Nicht so richtig stark nämlich wummern die Vitalzeichen aus dem virtuellen Raum. Inzwischen werden die Gemeinderatsitzungen ins Netz gestreamt und immer überall verlinkt angekündigt. Letzten Donnerstag ging es um so echte “Aufreger”-themen wie die Sperrung der Mühlstraßen und die Bebauung des SWR-Geländes, gestern wurde der Haushalt dieses Jahres verhandelt: Was bekommt in diesem Mitten-in-Corona-Jahr in unserer Stadt noch Geld, was nicht? Werden die Steuern erhöht oder nicht?
In der Spitze 52 bzw. 37 Zuschauer “an den Empfangsgeräten”, schlaffe 0,06% bzw 0,04 % der Tübinger Bevölkerung. Starkes Interesse sieht anders aus. Oder interessieren sich nur Leute für den Gemeinderat, die weniger oder gar nicht internet-affin sind? Im Tagblatt schlagen die Leserbrief-Wellen bei mehreren dieser Themen hoch. Wir hatten erhofft, dass man mit dem Streaming erreicht, was die Besucherbank im Rathaus seit langem nicht leistete: Echte Öffentlichkeit der Verhandlungen. Und wir hatten auch eine Absenkung des Durchschnittsalters der Interessierten erwartet. Bisher offensichtlich ziemliche Fehlanzeige.
Hundebabies oder kleine Eisbären sind wahrscheinlich keine Lösung, um die Aufmerksamkeit zu steigern. Aber was wäre der richtige Weg? Oder sollten wir das Vorurteil überdenken, dass es die Kommunalpolitiker sind, die sich aus Desinteresse immer erst kurz vor der Wahl bei den Wähler_innen melden. Vielleicht wird umgekehrt auch ein Schuh daraus: Haben etwa die Wählenden zwischen den Wahlen gar kein so großes Interesse? Auf der anderen Seite mehren sich die Zeichen, dass mehr Beteiligung der Bevölkerung dringend gefordert ist. Da passt etwas noch gar nicht zusammen. Kommentare sind höchst erwünscht!
PS Die Spaßfraktion hat als diesjährigen Haushaltsvorschlag eingebracht, dass wir in das Streaming der Gemeinderatssitzung zukünftig Werbeblöcke (zur Finanzierung städtischer Aufgaben) schalten. Auch diese Hoffnung ist bei den aktuellen Zuschauerzahlen wohl zerstoben.