…zum Parkhaus König und über den Schnarrenberg in Tübingen´s Norden.
Gestern Abend wurde im Gemeinderat beschlossen, dass mit Eröffnung der
Regionalstadtbahnstrecke aus dem Ammertal der Linksabbieger aus der Westbahnhofstraße
in die Belthlestraße und weiter zum Parkhaus König bzw. hoch zu den Kliniken komplett
wegfällt. Stattdessen wird zukünftig auf der Westbahnhofstraße ein neuer Mittelstreifen
exklusiv für Busse ausgebildet und für den Individualverkehr gesperrt. Stadteinwärts steht
dem übrigen Verkehr nur noch ein Streifen, der rechte, zur Verfügung. Das Linksabbiegen in
die Belthlestraße ist dann nur noch den Bussen gestattet.
Wer hoch zu den Kliniken will oder sonst in den Norden, muss entweder den langen Weg
über die Ebenhalde fahren oder sich über´s Museum, und dann um den Alten Botanischen
Garten, am König vorbei, zum Schnarrenberg durchkämpfen. Wer glaubt, sich über die
Rheinlandstraße, Herrenbergerstraße durchmogeln zu können, dem wurde von der
Verwaltung schon in der Ausschusssitzung versprochen, dass man da geeignete Mittel habe,
diese Versuche zu unterbinden. Verkehrsexperten nennen das süffisant: “Die Rauigkeit
etwas erhöhen”.
Auf dieser neuen und exklusiven mittleren Busspur in der Westbahnhofstraße fahren dann in
der Stunde exakt z w e i Busse. Sie werden als “Schnellbusse” (X14) bezeichnet und führen
vom Westbahnhof ohne Halt hoch zu den Kliniken. Aber eben nur für die zwei zusätzlichen
aus Entringen ankommenden Züge in der Stunde. Die anderen Züge bedient von
Westbahnhof wie bisher die Linie 14 über die Rheinlandstraße und die Herrenberger Straße.
Boris Palmer nennt diesen – aus unserer Sicht – wirklichen Irrsinn, “alternativlos”, denn man
müsse hier eine “Systementscheidung” treffen. Wenn die Regionalstadtbahn nicht
erwünscht sei, müsse man den bisherigen Verkehrsraum des Individualverkehrs konsequent
dem ÖPNV übergeben.
Ist das nicht eine vorgeschobene Verdeckung der bereits vor dem Bürgerentscheid
angedrohten Bestrafung der Autofahrer, wenn die Innenstadtstrecke abgelehnt würde? Wir
empfinden das als ziemlich offensichtlich.
Richtig ist: Wenn man wirklich eine Schnellbuslinie will, dann ist ein dafür n o t w e n d i g e s
Opfer des Individualverkehrs gerechtfertigt. Aber diese X 14 wird eine lächerliche Karikatur
einer Schnellbuslinie sein: Sie erhält nur auf ein paar Hundert Metern eine eigene Spur und
wird sich ansonsten immer im Mischverkehr aufgehalten. Sie fährt überhaupt nur zwei Mal
in der Stunde diese Strecke und sie kann, drittens, gegenüber den vier vorhandenen und
allesamt besseren Alternativen keinen irgendwo relevanten Fahrzeitunterschied
herausfahren. Es erscheint daher absolut klar, dass es hier nicht um die Beschleunigung des
Busverkehrs, sondern vorrangig, oder gar allein, um eine Bestrafung der Autofahrer geht.
Schon jetzt ist die Situation von der Belthlestraße bis vorne zum Museum zu vielen
Tageszeiten eine reine Tortur. Wenn es den Linksabbieger in die Beltlestraße nicht mehr
geben wird und vom Saturn bis zum Museum zukünftig nur eine einzige PKW-Spur, zumal
ohne den Teilabfluss nach Norden durch die Belthlestraße existiert: Dann möchten wir uns
die Folgen lieber nicht ausmalen. Aber genau diese Folgen scheinen gewollt zu sein.
Wir sind fest davon überzeugt, dass hier die Ideen der Alternativenprüfung öffentlich
lächerlich gemacht werden sollen. Die damals gemeinsam mit Experten nur skizzenhaft
angedachten Tangential-Schnellbuslinien waren nur im Ansatz konzipiert, sie waren unfertig,
eine Simulation mit Verkehrsdaten hatte noch nicht stattgefunden. Das wurde sogar
ausdrücklich protokolliert, dass das Konzept nach einem erfolgreichen Bürgerentscheid erst
mit Fachleuten weiterentwickelt werden müsse.
Jetzt werden solche unsinnigen Linienführungen wie die X14 als “Schnellbuslinien”
bezeichnet. Sie dienen erkennbar keiner nennenswerten Beschleunigung der Busse. Sie sind
hingegen sehr durchsichtig eine massive Bestrafung der Autos und das scheint ihr
eigentlicher Zweck.
Boris Palmer lässt sehr unverhohlen erkennen, dass er 2024 nach Ende der Stillhaltezeit
durch den Bürgerentscheid einen neuen Anlauf unternehmen wird, die Innenstadtstrecke
erneut und im Wesentlichen unverändert durchzusetzen. Bis dahin darf es offensichtlich die
damals zugesagte Ausarbeitung echter und guter Alternativen zur Innenstadtstrecke nicht
geben. Bis heute wurde deshalb auch noch nicht einmal der erste Schritt zu einer Auswahl
von Experten getan, obwohl wir mit unseren Haushaltsanträgen sichergestellt haben, dass
ausreichend Mittel in den Haushalt eingestellt sind. Immer wieder werden wir vertröstet und
alle Terminzusagen verstreichen ohne Fortgang.
Mit solchen Zerrbildern von Schnellbuslinien wie der X14, die den städtischen Verkehr im
Westen nach unserer Prognose zum Erliegen bringen bzw. die Pendler in den Norden der
Stadt zu weiten Umwegen zwingen werden , soll bewiesen werden, was Boris Palmer schon
immer behauptet hat: Die Innenstadtstrecke wäre schlicht alternativlos. Und wenn das
dumme Volk es nicht glaubt, dann wird er es ihm schon zeigen.
Die OB Wahl wird so leider zwangsläufig zum zweiten Teil des Bürgerentscheids über die
Innenstadtstrecke:
Wer geht mit dem klaren Votum der Bürgerschaft gegen die Innenstadtstrecke fair um und
respektiert die Entscheidung in ihrem Kern? Und wer lässt erkennen, dass er den “Fehler der
Bevölkerung” beim Bürgerentscheid spätestens 2024 wieder korrigieren will?