Ernst Gumrich im Tagblatt vom 03.06.2020

Corona kann für mich gar nicht schnell genug vorbei sein. Alltag, Leben und Wirtschaft dürfen nicht erstarren. Ungeduldiges Drängeln nutzt nur nichts. Die umsichtige Bekämpfung der Seuche und ihrer direkten Folgen sowie die Lockerungen, das war die Aufgabe der Verwaltung. Sie hat sich dabei gut geschlagen. Der Gemeinderat hielt sich zurück. Jetzt reicht das Verwalten alleine nicht mehr. Gemeinderat und Bürgerschaft müssen mit der Verwaltung eine veränderte Welt nach Corona gestalten. Die Krise bietet Chancen, den Wandel unserer Stadt zu beschleunigen. Wir müssen das jetzt anpacken.

Die Pandemie hat Schwächen der Infrastruktur offengelegt, beispielhaft bei Digitalisierung und Datennetzen. Wie kann das korrigiert werden? Viel geringere Steuern müssen in Zukunft den normalen Haushalt und viele solcher Mammutaufgaben finanzieren, zu denen auch der so nötige wie teure Kampf gegen den Klimawandel gehört. Plötzlich ist echtes Haushalten gefordert. Die bequeme Verteilung des Überflusses ist vorbei.

 

Die Seuche hat, zweitens, so viele unserer Verhaltensweisen verändert. Was bleibt davon, was verschwindet? Auf einmal ging home-office für viele Menschen. Wie nutzen wir diese große Chance für Verkehr und Umwelt, die aber so massiv in die Familienrollen eingreift? Welchen Umfang soll digitaler Unterricht behalten? Diese neue Angst vor der Ansteckung in Bussen und Bahnen: Wie (lange) wirkt sie nach? Funktionieren die alten ÖPNV-Konzepte da noch oder sollten wir für neue Mobilitätsformen planen: 100% elektrisch, multimodal, vernetzt, auf Abruf, im Abo statt im Eigentum und später autonom? Wer sich nicht traut, Zukunft neu zu denken, bekommt Vergangenheit zugeteilt.

Drittens: Das „dicke Corona-Ende“ kommt erst: Die Weltwirtschaftskrise wird um Tübingen keinen Bogen machen. Schon jetzt stehen viele Händler und Wirte nahe am Ruin. Die Besucherfrequenz der Innenstadt ging seit Jahren zurück. Corona war oft der letzte Schlag ins eh leere Kontor. Wie können wir die Altstadt langfristig viel attraktiver machen und eine leblose Museumsstadt Tübingen 2030 verhindern? Das waren nur drei Themenfelder, die wir durchdenken und jetzt gestalten müssen.

Abschließend meine Bitte: Lassen Sie die Computermaus ruhen, Amazon braucht keine Unterstützung, die Tübinger Gewerbetreibenden hingegen buchstäblich zum Überleben. Freudiger Konsum für Tübingen, mit Abstand am besten.