Claudia Braun im Tagblatt vom 22.01.2020
Das Tübinger Stadtarchiv ist das „Gedächtnis der Stadt“, eines der wertvollsten und umfangreichsten seiner Art, zudem gesetzliche Pflichtleistung einer Kommune. Und – leider nichts Neues – das Archiv platzt aus allen Nähten.
Seit vielen Jahren werden immer wieder provisorische Lagerräume angemietet, mittlerweile ist der Bestand auf 9 Standorte verteilt, die nur sehr bedingt für Archivnutzung geeignet sind. Die wertvollen Bestände sind von Wassereinbrüchen und Schimmel bedroht, die Arbeit und Nutzung der Archivalien ist erschwert. Der Standort Güterhalle, der sprichwörtliche Silberstreif am Horizont, hat sich letztes Jahr leider zerschlagen. Dies festzustellen dauerte 3 lange Jahre: Zeit, die effektiver hätte genutzt werden können, um zielführende Planungen einzuleiten. Und nun ist die Not so groß, dass das Archiv sogar Übernahmen wertvoller Sammlungen ablehnen muss. Das ist eine Bankrotterklärung für jedes Archiv.
Die Tübinger Liste hat bereits im April 2019 beantragt, die Suche nach Standortalternativen zu forcieren. Dazu fehlt bis heute jede Aussage.
Nun ist eine weitere Auslagerung von Beständen an einen privaten Dienstleister außerhalb Tübingens nach dem Verfahren „scan on demand“ geplant, um das Archiv überhaupt arbeitsfähig zu halten. Wir sehen das „Outsourcen“ von Akten als absolute Notlösung und auch nur zeitlich befristet für eng definierte Teile des Archivbestands.
Sich auf dieser „Lösung“ nun aber auszuruhen und die Planungen für gute, tragfähige Alternativen aufgrund von „Überlastung der Bauverwaltung und zurückgehender Finanzkraft der Stadt“ auf Eis zu legen, ist völlig inakzeptabel. Denn auch die nun frei werdenden Regale werden sich schnell wieder füllen. Ein Grund mehr, die Planungen schnellstmöglich voranzutreiben, um endlich für das Archiv eine seiner Bedeutung entsprechende Unterbringung zu finden, die eine sachgerechte Lagerung und eine verbesserte Zugänglichkeit der Bestände für die Öffentlichkeit gewährleistet und alle Bestände zentral in einem Gebäude vereint.
Tübingen braucht ein funktions- und leistungsfähiges Stadtarchiv. Das hat hohe Priorität, alles andere wäre ein Armutszeugnis für eine Stadt mit solch kulturellem Reichtum. Und dafür müssen die Planungen sofort weitergehen und nicht erst in 2-3 Jahren! Wir werden dies mit einem erneuten interfraktionellen Antrag bekräftigen und im Haushalt berücksichtigen.